Tonia Merz macht Mode. Mode mit Haken und Ösen. Mode zum Schnüren. Tonia Merz ist Korsettiere und steht für ein fast vergessenes Handwerk. Ein Handwerk, das sie allerdings mit großer, geradezu ansteckender Begeisterung am Leben hält. In ihrem Laden in Berlin-Mitte entwirft, fertigt und verkauft sie Kleidungsstücke, die aus einer anderen Zeit zu stammen scheinen, aber keinesfalls verstaubt sind: Tonia Merz hat sich mit ihrem Label To.mTo auf das Korsett spezialisiert. Kundinnen und – ja! – Kunden können sich ein (gern richtig teures) Modell von ihr maßanfertigen lassen oder eines aus ihrer Kollektion wählen.
London und Lauder inspirierten Tonia Merz
„Das Korsett kam zu mir“, antwortet die gebürtige Heidelbergerin auf die Frage, warum sie ausgerechnet dieses und nur dieses Kleidungsstück entwirft. Tonia Merz hat Modedesign studiert und nicht lange nach der Jahrtausendwende ein Praktikum bei Velda Lauder in London absolviert. Die verstorbene Designerin schneiderte auch Korsetts, zum Beispiel für Burlesque-Diva Dita von Teese. Darüber lernte Tonia die „Schnürleiber“ kennen und lieben. „Danach war mir klar, dass ich keine gewöhnliche Konfektion machen möchte.“ Folgerichtig gründete sie direkt nach ihrem Abschluss ihr außergewöhnliches Modelabel.
„Moulin Rouge“ brachte das Korsett zurück
Genau zum richtigen Zeitpunkt, wie es im Nachhinein scheint. Denn just damals feierte Nicole Kidman in „Moulin Rouge“ Leinwanderfolge: eng geschnürt, mit elfenzarter Taille und ansehnlich dekolletiert – dem Korsett sei Dank. Auch Christina Aguilera, Lil´ Kim, Maya und Pink machten – in aufregende Korsetts gewandet – damals eine sexy Figur im Videoclip zu „Lady Marmelade“, dem Titelsong des Filmmusicals. „Das machte das Korsett wieder salonfähig und hat ihm ein Comeback beschert“, erzählt Tonia.
Winzige Wespentaille und sexy Sanduhr
Bevor es im 20. Jahrhundert aus der Damengarderobe verschwand, hatte das Korsett über Jahrhunderte hinweg als unentbehrliches Kleidungsstück für „Untendrunter“ gegolten: Frauen von Adel hatten versteifte Mieder in Deutschland seit dem 16. Jahrhundert getragen. In Frankreich war das stabile und körperformende Gerüst sogar schon deutlich früher en vogue gewesen. Die spanische Hoftracht des 17. Jahrhunderts hätte ohne die Schnürleiber ebenfalls nicht funktioniert. Zunächst drückten die Korsetts die Brust eher flach und schufen einen kegelförmigen Oberkörper. Im 19. Jahrhundert galt das Motto „Bauch rein, Brust raus!“ als Schönheitsideal: Der Busen wurde betont, Ober- und Hüftweite sollten möglichst groß, die Taille dagegen möglichst zart erscheinen. Für diese Sanduhrfigur zahlten die Ladies allerdings oft einen hohen gesundheitlichen Preis.
Im modischen Aus
Im Zuge der Frauenbewegung wurde das Kleidungsstück deshalb abgelegt. Es galt als Sinnbild der eingeschränkten Bewegungsfreiheit der Frau. Und zugegeben: Viel Spielraum gibt es, in ein solches Mieder verpackt, nicht. „Ein Korsett ist kein T-Shirt“, bringt Tonia es auf den Punkt. Dafür vermittelt das Gefüge aus Stoff, Schnüren und Stäben jedoch das Gefühl, gestützt zu sein. Es zaubert zudem eine Wespentaille – minus 10 bis 15 Zentimeter sind locker drin. Bei stärkeren Damen sogar ein um bis zu 20 Zentimeter geschrumpfter Taillenumfang. Zudem sorgt ein Korsett für eine fast aristokratisch-aufrechte Haltung.
Das Korsett für den Mann
Männer und Frauen stehen übrigens gleichermaßen auf Korsetts – beide Geschlechter gehören zu To.mTos Kundenkreis. „Die Herren mögen das enge Tragegefühl durchaus. Manche möchten sich den Bauch wegschnüren und bevorzugen die maskuline V-Form. Im Bereich Travestie verkaufe ich jedoch eher die taillierten Korsetts an männliche Kunden“, sagt Tonia. Fetisch und Burlesque – klar kommt das Korsett speziell in diesen Szenen zum Einsatz. Tonia Merz´ Kunden stammen jedoch aus allen Bereichen des Lebens. Auch „normale“ Frauen tragen das Korsett selbstbewusst „oben drüber“, lassen es sich zum Beispiel ins Brautkleid einarbeiten oder geben dem Abendkleid damit einen besonderen Schliff. „Das Korsett ist längst nicht mehr nur Unterwäsche oder Dessous, es ist ein Stück Oberbekleidung geworden“, so Tonia Merz.
Stars stehen aufs Korsett
Und das sitzt wie eine zweite Haut, sehr eng am Körper. Eine Anprobe vor Ort ist daher unabdingbar. Nicht nur bei Maßanfertigungen made by To.mTo, die bis zu 3.000 Euro kosten können. Für Beratung und zum Anpassen kommen Kunden auch von weither in Tonias Laden in der Torstraße, schräg gegenüber vom Soho House. In dem exklusiven Hotel, wenige Fußminuten vom Alexanderplatz entfernt, steigen Stars wie George und Amal Clooney oder Madonna ab. Nicht ausgeschlossen, dass sie beim Bummeln auf die Korsetts von Tonia Merz aufmerksam werden. Einigen Berühmtheiten hat die Korsettiere schon ein echtes To.mTo „verpasst“: Rosenstolz, Barabara Schöneberger, Jennifer Rostock und Katy Perry zum Beispiel. Alle machten in To.mTo eine richtig gute Sanduhr-Figur.
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