Es war in seinem ersten Semester am Staatlichen Bauhaus in Weimar: Der junge Wilhelm Wagenfeld legte damals, anno 1923, seinem Lehrer als Lösung einer Aufgabe eine Tischleuchte vor. Schlicht und funktional. Mit einem einfachen Fuß, einer geraden Säule und einem kugelförmigem Schirm aus Opalglas. Das Objekt ist inzwischen in die Designgeschichte eingegangen – als Wagenfeld- oder Bauhaus-Leuchte. Die Luxuslampe ist vor allem bei all jenen beliebt, die zeitlose Eleganz sowie klare und schnörkellose Gestaltung mögen.
Es werde Licht – Luxuslampenlicht
Die Bauhaus-Leuchte ist mit circa 450 Euro bei Weitem nicht die teuerste Lampe der Welt. Diesen Titel beansprucht nämlich die „Pink Lotus“ für sich. Dabei handelt es sich um ein prunkvolles Leuchtobjekt von Louis Comfort Tiffany. Wert des seltenen Sammlerstücks: 2,8 Millionen Dollar. Die Jugendstillampe setzt auf bunte Pracht. Ihr Schirm besteht aus tausenden farbigen Glaselementen. Die sind mithilfe geschmolzenen Metalls zu opulent-geschwungenen, floralen Mustern zusammengesetzt. Optisch ist diese Luxuslampe damit das genaue Gegenteil der Wagenfeld-Leuchte. Denn die ist in ihrer Schlichtheit eine exakte Umsetzung des Bauhaus-Prinzips „Form follows function“. Und das heißt: Verzicht auf überflüssige Ornamente.
Bauhaus – alles, nur kein Baumarkt
1919, nach Ende des 1. Weltkriegs, ist in Weimar das Staatliche Bauhaus gegründet worden. Grundidee: Die Vereinigung von Kunst und Handwerk zur Baukunst. Vorbild war die mittelalterliche Bauhütte. Die neue Hochschule für Gestaltung stand zunächst unter der Leitung von Walter Gropius. Später führte Ludwig Mies van der Rohe Regie bei der Designschmiede, die heute ein Mythos ist. An ihren Leitlinien orientieren sich noch heute Gestalter und Architekten auf der ganzen Welt. Damals jedoch hat man die Bauhaus-Bewegung skeptisch bis spöttisch beäugt, oft genug auch heftig angefeindet. Zu den Kritikern gehörten unter anderem Bertolt Brecht und Theodor Adorno. Den Nationalsozialisten war die avantgardistische Schule erst recht ein Dorn im Auge: 1933 haben sie die Schließung des Bauhauses veranlasst. Bis dahin hatte die Akademie für Architektur, Kunst und Design zwei Mal umziehen müssen: von Weimar nach Dessau nach Berlin. Dort wurde aus der staatlichen eine Privatschule. Doch auch dieser Schritt rettete das Bauhaus am Ende nicht.
Die drei F: Form follows function
Während der 14 Jahre, die das Bauhaus existierte, unterrichteten dort namhafte Künstler wie Lyonel Feininger, Paul Klee und Wassily Kandinsky die insgesamt 1.250 Schüler. Das Studium lief ganzheitlich, interdisziplinär und praxisorientiert ab, zum Beispiel in der Metallwerkstatt. Dort hat auch Wagenfeld an seinem ersten Designcoup im Wortsinn gefeilt. Die Eleven lernten also in Theorie und Praxis die Bauhaus-Grundsätze kennen und umsetzen. Der Wichtigste: Die Gestalt richtet sich nach dem Zweck – nicht umgekehrt. Das galt für Architektur und Alltagsgegenstände gleichermaßen. Form follows function, die heiligen drei Bauhaus-F, erprobten die Studenten nicht selten auch anhand von neuen Materialien und Fertigungstechniken. Wagenfeld mit eben jener Luxusleuchte.
Vom Gesellenstück zur Luxuslampe
Ein bisschen erinnert die Wagenfeld-Lampe an alte Petroleum-Leuchten. Altbacken ist sie jedoch auch mehr als 100 Jahre nach ihrer Erfindung nicht. Im Gegenteil: Die Tischleuchte wirkt zeitlos und modern. Sie macht damit auch heute noch auf Schreib- oder Nachttisch etwas her. Geometrisch-klare Linien und warmes, mattes, gleichmäßig gestreutes Licht, das die opalverglaste 5/8-Kugel spendet – das ist Bauhaus-Avantgarde vom Feinsten. Dass sie nicht im Archiv verschwand, sondern auf den Markt kam, dauerte übrigens bis 1980. Zuvor galt ihre Herstellung in größerer Auflage als zu teuer. Denn die Teile mussten einzeln und in Handarbeit gefertigt werden. Doch Wagenfeld gab seine Lampe nicht auf. Er fand in Walter Schnepel und seiner Firma Tecnolumen den richtigen Partner. Sie ist daher bis heute der einzige, autorisierte Hersteller.
Nur echt mit diesen Kennzeichen
Die Wagenfeld-Lampe ist übrigens nur echt, wenn sie über ein paar besondere Kennzeichen verfügt – zum Beispiel:
- Die Oberflächen der Lampe sind vernickelt, nicht verchromt. Daher setzen sie mit der Zeit eine zartgelbe Patina an.
- Die Zugschnur zum An- und Ausschalten ist schwarz und hat eine vernickelte Kugel am Ende.
- Auch die Tülle für die Zugschnur ist charakteristisch.
- Für den transparenten Schaft und Fuß verwendet Tecnolumen Klarglas statt Kunststoff.
- Der Strom fließt durch mit Textil umsponnene Kabel.
- Sämtliche Lampen sind nummeriert und am Stempel unter dem Sockel erkennbar.