Ein neues soziales Netzwerk sorgt aktuell weltweit für Furore: Onlyfans.com wird als das neue Instagram gehandelt. Im Kontrast zu anderen Plattformen gibt es dort kein Nacktheitsverbot, was für einige Diskussionen und neue Fragestellungen sorgt.
Alle paar Jahre kommt ein neues soziales Netzwerk auf, das kaum einer auf dem Radar hatte und auf einmal mit vielen Millionen Mitgliedern quasi einschlägt wie eine Bombe – am Markt und manchmal auch im sozialen Gefüge der Gesellschaft. Nach bekannten Branchengrößen wie Flickr, Tumblr, Facebook, Twitter, Pinterest, Instagram, Snapchat und wie sie alle heißen, ist mittlerweile Onlyfans das neue heiße Ding. Und diese Beschreibung passt eigentlich ganz gut, denn auf der Plattform dürfen auch Inhalte gezeigt werden, die bei der Konkurrenz aus welchen Gründen auch immer verboten sind. Aber der Reihe nach:
Wie funktioniert Onlyfans?
Das neue soziale Netzwerk mit Sitz in Großbritannien ist grundsätzlich erstmal so aufgebaut wie Instagram. Ein User macht sich einen Account und kann dann je nach seinen Interessen unterschiedlichen Profilen ‘followen’. Der große Unterschied besteht darin, dass Anbieter von Inhalten, die sogenannten ‘Creators’, einen kleinen monatlichen Betrag verlangen können, damit man ihre Inhalte, also Bilder oder Videos, sehen darf. Die Abo-Preise können 5 bis 50$ betragen, die InhaberInnen eines Accounts können dies selbst festlegen. Es ist auch möglich für einzelne Videos einen bestimmten Betrag zu verlangen, sodass Follower sich erstmal ausprobieren oder eben gezielt ausgewählten ‘Content’ einkaufen können. Außerdem gibt es die Möglichkeit ein Trinkgeld zu bezahlen, etwa wenn jemand ein besonders cooles Video gepostet hat und man der Person spontan dafür extra etwas zukommen lassen möchte um eine besonders gute Idee zu honorieren. Wie auf anderen Plattformen können die gezeigten Inhalte kommentiert oder mit einem ‘Like’ versehen werden. Außerdem gibt es eine eingebaute Messenger Funktion, um wie auf Instagram oder Facebook zu kommunizieren.
Von wem wird Onlyfans genutzt?
Hier beginnt der eigentlich spannende Teil. Grundsätzlich ist das erst 2016 gegründete Onlyfans lediglich eine Plattform, auf der ohne Zwischenhändler Content, also Inhalte, verbreitet werden können. Während auf Instagram und Youtube oftmals durch die Schaltung von (Schleich-)Werbung bzw. gesponserte Posts gewisse Umwege gegangen werden müssen um Geld einzunehmen, können Follower/Fans auf Onlyfans ihre Stars direkt bezahlen. Von Anfang an wird Onlyfans von Influencern oder Darstellern genutzt, die der Pornoindustrie nahe stehen oder sogar selbst PornodastellerIn oder Camgirl sind. Onlyfans ist der Platz, man könnte sagen der ‘Safe-Space’, für alle Erotik-Models, Sex-Positive und Freizügige, denen auf Instagram verwehrt wird sich so zu zeigen wie sie das möchten. Inzwischen hat sich ein so starker popkultureller Hype um Onlyfans entwickelt, dass manche etablierte Stars der Musikszene ihre anzüglichen, aber nicht pornographischen, Musikvideos auf Onlyfans zuerst veröffentlichen. Aber auch immer mehr ganz gewöhnliche Leute melden sich an und verdienen mit ein paar freizügigen Fotos etwas dazu, eigentlich ganz wie auf Instagram. Nur eben, wenn gewollt, auch mit unzensierten Nacktfotos.
Welche Vorteile bietet Onlyfans?
Schon schreiben namhafte Zeitungen wie Die Zeit oder New York Times von einer Revolution der Pornoindustrie zum Wohle der Frau. Denn dass es in der Pornobranche oftmals nicht allzu sauber und seriös zugeht, haben Viele wahrscheinlich schon das ein oder andere Mal gehört. Immer wieder ist in den Medien zu lesen, wie sich vor allem Darstellerinnen über erniedrigende Praktiken und Geschäftsgebaren beschweren. Und der aktuelle Prozess um den seit den 80er Jahren weltbekannten Pornoproduzenten Ron Jeremy, der in über 1000 Pornofilmen mitgespielt haben soll und jetzt mehrfach wegen Vergewaltigung und Missbrauch angeklagt ist, wird wohl nur die Spitze des Eisbergs sein. Onlyfans wird inzwischen auch von berühmten Poronostars wie etwa Riley Reid genutzt. Die Vorteile liegen dabei auf der Hand. Wo früher Produzenten und Studios einen großen Teil der Einnahmen kassierten und Lizenzen für sich behielten heißt es heute: mein Körper, mein Kanal, meine Rechte, mein Geld. Gerade seit Ausbruch der Corona-Krise verzeichnet Onlyfans einen riesigen Zuwachs an Nutzerzahlen, Erotikdarstellerinnen die auf einmal kaum mehr Einnahmen hatten verdienen zum Teil Zehntausende Euro im Monat auf der neuen Plattform. Es heißt, viele Models haben sich nebenher oft prostituiert um über die Runden zu kommen, heute verdienen sie gut und sind dabei ihr eigener ‘Herr’. Die US-Schauspielerin Bella Thorne, die früher oft für Disney vor der Kamera stand, hat einmal angeblich eine Million Dollar in 24 Stunden verdient. Außerdem wirkt auf Onlyfans alles viel intimer, als wäre man seinem Star wirklich nahe. Onlyfans folgt damit einem allgemeinen Meta-Trend, der auch in anderen sozialen Netzwerken zu beobachten ist: Intimität für Likes, oder eben für Geld, was ja schon länger eng zusammenhängt und jetzt eben noch mehr zum Vorschein tritt.
Was soll man von dem Ganzen halten?
Während sich auf Instagram und Facebook noch die FeministInnen und MoralistInnen daran abarbeiten wie ungerecht es sei, dass auf Fotos von Männern deren Nippel sichtbar sein dürfen, bei Frauen jedoch nicht, wird auf Onlyfans zur kollektiven Freude der Fanbase einfach ein unzensiertes Video vom morgendlichen Quickie gepostet. “Ja und?”, fragen die einen, wir leben schließlich in einer modernen, liberalen Gesellschaft und Sex ist ein Grundbedürfnis. “Schindluder!”, rufen die anderen, die mal wieder eine Verrohung der Sitten wittern sowie die Objektifizierung und Ausbeutung der Schönheit von Frauen anprangern. Dabei hilft durchaus ein Blick rüber zu Instagram, wo ein Bild mehr Likes bekommt, je tiefer der Ausschnitt ist, je sexier die Pose und wo sich bei einem harmlosen Running-Influencer immer wieder, natürlich rein zufällig, ein Cameltoe aufs Bild schleicht. Auf Instagram werden Grenzen wortwörtlich ausgereizt, auf Onlyfans hat man einfach keine Lust auf eine solche Bigotterie. Sowieso ist Pornographie im Endeffekt eine von echtem Sex klar abgetrennte Welt.
Eine Pressesprecherin der aufstrebenden Escortplattform Erobella.com sieht die gegenwärtige Entwicklung daher auch lediglich als “eine Aktualisierung des Pornokonsums, der nichts mit einer echten, ausgelebten Sexualität gemein hat.” Es ist also egal, wie viele Stars und Normalos meinen sich für Geld vor ihrer Kamera ausziehen zu müssen. Die echte Bettparty findet immer noch in der Realität statt, egal was da die Verheißungen neuer sozialer Netzwerke sind. Aber selbstverständlich ist es nur zu begrüßen, wenn Frauen im Allgemeinen sowie Erotikdarstellerinnen im Speziellen zu mehr Selbstbestimmung ermächtigt werden und damit die, die uns mit so ansehnlichen Inhalten versorgen auch eine angemessene Entlohnung erhalten.